Neurotechnologie auf dem Prüfstand

Foto: Levin Sottru

Über die Brauchbarkeit von vier Hirnimplantaten zur Datengewinnung und gleichzeitigen Intervention

Eine neurobiologische Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ilka Diester und ihre Doktorandin Stephanie Hardung zeigte in einem umfangreichen Vergleichstest am lebenden Organismus, welche Sondenbauweise für welches Vorhaben besonders geeignet ist. Neben den gängigen Verfahren zum Auslesen von Nervensignalen berücksichtigt ihre Forschungsarbeit insbesondere neueste Manipulationstechniken mittels Genveränderung und Licht, die eine räumlich und zeitlich sehr präzise Intervention erlauben. Die Studie der im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools und am Bernstein Center Freiburg aktiven Gruppe ist nun in der Zeitschrift ‚Frontiers in Systems Neuroscience‘ erschienen.

„Mit vielen der aktuell erhältlichen Elektrodenimplantate können wir nicht nur Informationen über die Vorgänge im Gehirn gewinnen, sondern auch gezielt Einfluss nehmen“, sagt Diester. „Jedoch ist es nicht immer ganz einfach, das richtige Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen zu bemessen. Ganz zu schweigen davon, die maximale Performance in beide Richtungen zu gewährleisten“, merkt Hardung an. Wie gut die simultane Ein- und Ausgabe gelingt, hängt nämlich von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren ab, das meist in der Bauweise des Implantats begründet liegt. Für die Studie wählte das Freiburger Forschungsteam zwei unterschiedliche Typen aus: fest installierte Sonden in sogenannter Array-Bauweise und bewegliche sogenannte Vortriebe, die es auch nach der Implantation erlauben, an den optimalen Mess- und Stimulationsort zu gelangen. Sie wurden in je zwei Varianten in die Hirnrinde von Ratten verpflanzt und durchliefen mehrwöchige Tests, in denen man sie auf Leistungsfähigkeit, Reichweite, Präzision, Stabilität und Anpassungsmodalitäten überprüfte.

Die Forschenden nahmen die Nervenaktivität auf elektrophysiologischem Weg auf, also durch die Ableitung elektrischer Signale. Dabei nutzten sie die sogenannte Optogenetik als Technik zur Beeinflussung des Zellverhaltens. Bei der Optogenetik handelt es sich um ein neuartiges Verfahren, bei dem die Nervenzellen gentechnisch so verändert werden, dass ihre elektrische Aktivität durch Licht kontrollierbar ist. Dabei überwiegen die Vorteile: „Optogenetische Methoden funktionieren schnell und zielsicher, zeigen prinzipiell wenig Nebenwirkungen und die Veränderungen können auch wieder rückgängig gemacht werden“, so Diester.

Schon vorab war Diester und Hardung klar, dass sie mit den Arrays aufgrund ihrer höheren Anzahl an Elektroden größere Regionen ansteuern können. Ihr Team wies aber auch nach, dass Array-Lösungen relativ stabil und meist kostengünstig sind. Bei den Microdrives, die ein kleineres Areal bedienen, stellte sich heraus, dass sie eine bessere Aufnahmequalität und mehr Modifikationsmöglichkeiten liefern, dafür aber fragiler und in der Regel auch teurer sind. „Um Grundlagenforschung zu betreiben oder mit einfachen Experimenten erste Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen, reichen die günstigen Microwire-Arrays oft völlig aus“, resumiert Hardung. Anders sieht es aus, wenn die Forschung auf anatomisch schwerer erreichbare, verhaltensrelevante Nervenbahnen abzielt. Diester und Hardung sind sich einig, dass hier die schraubenbasierten Vortriebe möglicherweise zu Durchbrüchen führen könnten.

Originalveröffentlichung:
Hardung S, Alyahyay M, Eriksson D, Diester I, A toolbox for optophysiological experiments in freely moving rats Front. Sys. Neurosci. doi: 10.3389/fnsys.217.00027