Natürliche Sprachproduktion und -perzeption greifen auf gemeinsame Ressourcen der prämotorischen Hirnrinde zu

Geometrische Zeichen in Pink zeigen die artikulatorischen Hirnareale, die sowohl bei der Produktion als auch bei der Perzeption der Sprache bei allen Probanden aktiv waren. Andere Symbole kennzeichnen andere funktionale Areale: Die Körperteile in Rot und in Blau sind entsprechend motorische und sensorische Areale des linken perizentralen Kortex; die gelben Zeichen zeigen Areale, die für sprachliche Funktionen unabdingbar sind.

Spontansprachliche Kommunikation ist ein fundamentaler Teil des sozialen Lebens. Aber wie unterstützt unser Gehirn diese einzigartige Fähigkeit?

Obwohl die Neurowissenschaft der Sprache in den letzten Dekaden Dank experimenteller Untersuchungen stetig vorangeschritten ist, ist wenig darüber bekannt, wie Sprache bei nicht-experimentellen, spontanen Bedingungen des Alltags im Gehirn unterstützt wird. Zu dieser Thematik ist diesen Monat eine Studie eines interdisziplinären Forscherteams aus Freiburg in der international anerkannten Zeitschrift „Scientific Reports“ aus der Nature-Reihe publiziert worden.

In der Studie haben sich Olga Glanz (Iljina), Johanna Derix, Rajbir Kaur, Andreas Schulze-Bonhage, Peter Auer, Ad Aertsen und Tonio Ball mit der kontrovers diskutierten Frage befasst, inwiefern die für Artikulation verantwortlichen Gehirnregionen auch bei der Sprachperzeption aktiviert werden. Über Jahrzehnte existieren zwei entgegengesetzte Lager im Hinblick auf diese Frage: Manche Forscher haben solche Aktivierung bei experimentellen Untersuchungen beobachtet und die Meinung geäußert, dass diese Aktivität einen für die Wahrnehmung der Sprache notwendigen Mechanismus darstellt. Andere haben diese Aktivierung in ihren Experimenten nicht gefunden und daraus geschlussfolgert, sie muss exotisch sein, wenn sie überhaupt existiert. Interessanterweise waren sich beide Lager einig, dass Veränderungen der Hirnaktivität in artikulationsrelevanten Regionen während der Sprachperzeption durch mangelnde ökologische Validität von Experimenten auftreten könnte, weil diese sich von spontansprachlichen Bedingungen markant unterscheiden. Um dieser kontroversen Frage auf den Grund zu gehen, war eine Untersuchung anhand von natürlichen Konversationen notwendig.

Mithilfe eines besonderen Designs ist es den Forschern aus Freiburg gelungen, neuronale Aktivität bei solchen Konversationen zu untersuchen. Dies geschah mithilfe von intrakraniellen Aufnahmen, welche während alltäglicher Unterhaltungen bei neurologischen Patienten zur Diagnostik aufgezeichnet wurden und anschließend mit dem Einverständnis der Patienten für Forschung verwertet werden durften.

Die Forscher konnten zeigen, dass artikulationsrelevante Hirnregionen auch zuverlässige Aktivität bei der Wahrnehmung spontangesprochener Sprache aufweisen. Diese Regionen waren jedoch nicht aktiviert, als die Probanden nicht-sprachliche Geräusche gehört haben. Das Fazit ist: die "sprechenden" Teile des Gehirns sind auch beim Zuhören der Sprache tätig. Die obige Illustration zeigt die Lage dieser Teile des Gehirns.

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