Richtung einer Handbewegung durch mit Infrarotlichtmessung im Gehirn erkannt

Der Aufbau zur Erkennung von Nahinfrarotlichtsignalen (Schwarzweißbild) ist recht einfach. Unterschiedliche Handbewegungen ergeben unterschiedliche Levels der Oxygenierung im Hämoglobin (rote und blaue Kurven)

Neue Aufnahmetechnik schließt eine Lücke in Ansätzen für Gehirn-Maschine-Schnittstellen

Nervenzellen in der Hirnrinde, die für Körperbewegungen verantwortlich sind, geben mit ihrer Aktivität unterschiedliche Bewegungsparameter wieder, zum Beispiel die Richtung einer Handbewegung. Diese Signale können erfasst werden und dann für eine Gehirn-Maschine-Schnittstelle verwendet werden. Mit solchen Geräte soll in Zukunft ein Computer oder Roboterarm direkt durch Gehirnaktivität kontrolliert werden können. Die Aktivität der Nervenzellen ruft verschiedene Typen von Signalen hervor, die hierfür genutzt werden können. Die genaueste ist die pulsartige Aktivität einer einzelnen Nervenzelle. Diese Aktivität kann allerdings ausschließlich über Sonden direkt im Gehirn erfasst werden. Doch auch die Summe aller elektrischen Aktivität über alle Gehirnregionen hinweg ist ein messbares Signal, die sogenannte neuronale Populationsaktivität, die Rückschlüsse auf die Bewegungsrichtung erlaubt. Sie kann auf unterschiedliche Art und Weise gemessen werden: anhand lokaler Feldpotentiale im Gehirn (LFP), durch Elektrokortikographie an der Oberfläche des Gehirns (ECoG), durch Elektroenzephalographie (EEG), Magnetoenzephalographie (MEG), oder die funktionelle Kernspintomografie (fMRI).

Eine nichtinvasive und indirekte Technik, die neuronale Populationsaktivität aufzeichnet, ist die sogenannte funktionelle Nahinfrarot-Spektroskopie (fNIRS), welche die Intensität der Rückstrahlung von infrarotem Licht misst, mit dem man in das Gehirn. Dessen Intensität hängt von der Stärke der Lichtabsorption durch oxygeniertes und nicht oxygeniertes Hämoglobin ab. Dessen Konzentration im Blut wiederum wird durch die neuronale Aktivität beeinflusst - ein Phänomen, das  als BOLD-Effekt bezeichnet wird. In der letzten Zeit interessieren sich Forscher, die an Bewegungskontrolle und Gehirn-Maschine-Schnittstellen arbeiten, zunehmend für diese Technik. 

Da fNIRS tragbar ist (ein Vorteil gegenüber der Kernspintomographie, welche einen großen Aufnahmeapparat benötigt) und nicht von elektromagnetischem Rauschen beeinträchtig wird (ein Vorteil gegenüber tragbaren EEG-Geräten), könnte sich diese Technik als sinnvoll für Gehirn-Maschine-Schnittstellen erweisen. Nichtsdestotrotz ist es bisher unklar, ob fNIRS Signale tatsächlich auf die Richtung einer Handbewegung abgestimmt sind und welche Leistung von zugehörigen Gehirn-Maschine-Schnittstellen erwartet werden kann.

In einer neuen Studie, die im Fachjournal PLoS ONE publiziert wurde, nahmen Forscher aus Freiburg und London fNIRS-Signale in mehreren Hirnarealen auf, während Versuchsteilnehmer ihre Hand in eine von zwei Richtungen bewegten. Zusätzlich nahm ein magnetisches Trackingsystem die Kopfbewegungen der Teilnehmer auf, um diesen Einfluss auf die aufgenommenen Daten zu evaluieren. Die Richtung der Handbewegung konnte mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 65 % durch fNIRS-Signale in der gegenüberliegenden Gehirnhälfte dekodiert werden. Diese Genauigkeit ist signifikant, aber eher klein - eine rein zufällige Bestimmung der Bewegung würde bereits eine Genauigkeit von 50 % ergeben. Es ist in diesem Zusammenhag wichtig anzumerken, dass sich die Dekodierung von einseitigen Handbewegungen entscheidend von einer Dekodierung einer Bewegung der rechten versus linken Hand unterscheidet. In letzterem Fall kann ein Gehirn-Maschine-Schnittstellen-Ansatz nutzen, dass jede Hand von der gegenüberliegenden Gehirnhälfte kontrolliert wird.

fNIRS-Signale aus der Gehirnhälfte auf der selben Seite wie die bewegte Hand enthielten keine Informationen über die Richtung der Handbewegung. Obwohl die Teilnehmer angewiesen wurden, Kopfbewegungen zu vermeiden, ergaben Daten des magnetischen Tracking, dass kleine, unfreiwillige, mit der Bewegung korrelierende Kopfbewegungen auftraten. Durch die hohe Präzision des Trackingsystems konnten diese Kopfbewegungen mit hoher Genauigkeit dekodiert werden. Wichtig ist, dass die Forscher zeigen konnten, dass fNIRS-Signale unabhängig von solchen Kopfbewegungen waren.

Die Ergebnisse demonstrieren zum ersten Mal, dass auch fNIRS-Signale mit der Richtung der Handbewegung variieren, wenn auch schwach. Dieses Forschungsergebnis schließt eine Lücke im Spektrum von Aufnahmetechniken, die für Gehirn-Maschine-Schnittstellen relevant sind. Nichtsdestotrotz schlossen die Forscher, dass fNIRS zum aktuellen Zeitpunkt nicht zur praktischen Anwendung geeignet ist, da die Dekodierungsgenauigkeit zu gering sei. 

Dennoch könnte fNIRS eine Rolle in Versuchsszenarien spielen. Die Technik erwies sich als relativ unabhängig von Kopfbewegungen und könnte dadurch attraktiv für Studien sein, die Gehirnaktivität während Bewegungsexperimenten untersuchen.

 

Originalveröffentlichung:

Stephan Waldert, Laura Tüshaus, Christoph P. Kaller, Ad Aertsen and Carsten Mehring (2012) fNIRS exhibits weak tuning to hand movement direction. PLoS ONE 7(11): e49266. doi:10.1371/journal.pone.0049266