Tanz - Wissenschaft - Parkinson

Photo: Levin Sottru

Was ist Bewegung, was ist eine Bewegungsstörung? Wie verändert sich die körperliche Wahrnehmung durch kontinuierliche Bewegungspraxis?

Über ein Jahr brachte das deutsch-israelische Forschungsprojekt STÖRUNG / הפרעה Tänzer, Wissenschaftler und Menschen mit Parkinson zusammen, um diesen Fragen in gemeinsamen Experimenten nachzuspüren. Nach vielen lebhaften Tanzstunden, offenen Trainings und wissenschaftlichen Diskussionen ging es im Dezember 2015 zu Ende. Zwei abschließende Konferenzen, eine davon in Tel Aviv, eine in Freiburg, luden die Öffentlichkeit ein, Ideen mit den am Projekt beteiligten Gruppen auszutauschen.

Die Abschlusskonferenzen bündelten die Erfahrungen aller Teilnehmer. In Workshops, Vorträgen, Gesprächen, Ausstellungen und Bühnenstücken wurde dem Publikum auf kreative Weise gezeigt, um was es bei STÖRUNG / הפרעה ging. Beispielsweise führte ein Workshop zum israelischen Volkstanz “Hora” zu erhellenden Einsichten um das Führen und Geführtwerden von Gruppen. Ein anderer Workshop zum brasilianischen Capoeira machte anschaulich, wie ein auf den ersten Blick sehr kompliziertes Gefüge aus Bewegungen durch Reduktion auf das Nötigste schnell für jeden Laien erlernbar sein kann. Die gewohnten Grenzen des eigenen Arbeitsfeldes und Lebensraums einmal hinter sich zu lassen, war für die Teilnehmer an den zahlreichen interaktiven Programmpunkten zugleich verbindendes Element wie persönliche Horizonterweiterung.

Das Projekt hielt insbesondere für die Parkinson-Tänzer viele Möglichkeiten bereit, ihren Körper neu zu entdecken und nach knapp einem Jahr Tanztraining war man sich einig: Regelmäßiges Tanzen führt nicht nur zu einer höheren Beweglichkeit, sondern auch zu innerer Wachheit und allgemeinem körperlichem Wohlbefinden. Viele Teilnehmer sprachen davon, ein besseres Verhältnis zu ihrer Krankheit aufgebaut zu haben und im sozialen Leben zu mehr Selbstsicherheit gelangt zu sein. Die Tänzer wiederum lernten durch die Arbeit mit Wissenschaftlern und kranken Menschen Wege der Vermittlung kennen, die für sie im künstlerischen Ausdruck bisher nicht erfahrbar waren. Genauso taten sich neue choreografische Perspektiven auf, etwa in Bezug auf Einklang und Synchronizität. Auf wissenschaftlicher Seite wurde mehrfach betont, dass es sich lohne, die beim Tanzen erlebte Offenheit gegenüber neuen Empfindungen und Erkentnissen auch in der Forschung öfter zuzulassen. Obwohl sich die künstlerische Leitung immer wieder gegen die dem Projekt nachgesagten Heilungsabsichten wehrte, so war die Mitwirkung für alle Beteiligten doch auch ein Stück weit Therapie.

STÖRUNG / הפרעה ist eine Kooperation des Theaters Freiburg mit BrainLinks-BrainTools und der Yasmeen Godder Company, der Ben-Gurion University Be’er Sheva, dem Technion Haifa, der University of Haifa, dem Weizmann Institute of Science, der Bar-Illan University Ramat-Gan sowie der Hebrew University of Jerusalem. Das Projekt wurde gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und dem deutsch-israelischen Zukunftsforum.

Weitere Infos: https://hafraah.wordpress.com/