Das Gehirn als Ökosystem

Fereshteh Lagzi, Doktorandin bei Prof. Dr. Stefan Rotter, verfolgt einen neuen Ansatz der Analyse von Dynamiken zwischen hemmenden und stimulierenden neuronalen Populationen. Ihre Arbeit kann in verschiedener Hinsicht als innovativ bezeichnet werden.

Die biomedizinische Ingenieurin begann ihre akademische Karriere an der Polytechnischen Universität in Teheran, wo sie inspiriert war von Kursen zu künstlichen neuronalen Netzen und das Trainieren solcher Netze auf Mustererkennung. Sie führt ihr Studium jetzt am Bernstein Center Freiburg fort.

Lagzis Vorhaben, die Mathematik hinter menschlicher Kognition und hinter menschlichem Verhalten zu analysieren, veranlasste sie, Lotka-Volterra Gleichungen anzuwenden. Dies ist ein mathematisches Modell, das üblicherweise zur Erklärung von Populationsdynamiken von Interaktionen zwischen Spezies in Ökosystemen verwendet wird. Dieses Modell erlaubte es ihr, nicht-lineare wechselnde Dynamiken oder Oszillationen zwischen Subpopulationen stimulierender und hemmender Neuronen in einem vereinfachten Modell, das auf  dem „Winnerless Competition Model“ von Räuber und Beute beruht, zu erklären.

Die Verwendung von Lotka-Volterra Gleichungen erlaubt Lagzi zudem, eine Reihe verschiedener neuronaler Verhaltensparameter, wie Oszillation oder stationäre Aktivität zu berücksichtigen. Lagzi’s Ergebnisse können auf Basalganglien aber auch auf kortikale Säulen im Cortex angewendet werden, was zum Verständnis kortikaler und subkortikaler Netze beiträgt. Lagzi selbst merkt an, dass ihre Ergebnisse auch als Modell für ein Verständnis von Kognition, Entscheidungsfindung und anderer Funktionen dienen kann. Als nächsten Schritt und als letzte Phase ihrer Dissertation plant sie, ihr Modell durch eine dritte Dimension zu verbessern und zu erweitern.

Lagzi sieht auch Potential für ihr Modell in der Behandlung von Parkinson oder Epilepsie und zur Erklärung von Phänomenen wie binokulare Rivalität. Ihr Ansatz könnte sogar Rückschlüsse für den Bereich künstlicher neuraler Netzwerke erlauben und die Entwicklung von Niedrigenergie-Mikrochips, basierend auf dieser Art von Interaktion, initiieren.

Das Bernstein Center Freiburg ist Teil des Nationalen Bernstein Netzwerks „Computational Neuroscience“ in Deutschland. Gefördert wird die neue Disziplin „Computational Neuroscience“ seit 2004 mit über 180 Millionen Euro vom deutschen Bundesministerium für Forschung und Technik. Das Netzwerk ist nach dem deutschen Physiologen Julius Bernstein (1835-1917) benannt.

Weitere Infos:
www.bcf.uni-freiburg.de
www.nncn.de

Kontakt:

Prof. Dr. Stefan Rotter
Bernstein Center Freiburg
University of Freiburg
Phone: +49 (0)761/203-9316
E-Mail: 
stefan.rotter(at)biologie.uni-freiburg.de