„MenschMaschine-Visionen – Technik, die unter die Haut geht“

Prof. Dr. Thomas Stieglitz ist der wissenschaftliche Leiter des 18. Berliner Kolloquiums der Daimler und Benz Stiftung. Am 4. Juni 2014 wir er ein interdisziplinäres Symposium zur Neurotechnologie leiten. Wir haben vorher mit ihm gesprochen.

https://www.daimler-benz-stiftung.de/cms/veranstaltungen/berliner-kolloquium.html

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Sie sind der wissenschaftliche Leiter des 18. Berliner Kolloquiums der Daimler und Benz Stiftung, die den Titel trägt „MenschMaschine-Visionen – Technik, die unter die Haut geht“. Wie unterscheidet sich diesen Treffen von Symposien, zu denen Sie üblicherweise eingeladen werden oder die Sie selbst organisieren?

Prof. Stieglitz: Dieses Symposium ist insofern eine Herausforderung, als wir uns mit den gesellschaftlichen Fragen und den interdisziplinären Aspekten dieses Themas beschäftigen wollen. Das bedeutet, dass wir uns nicht zu sehr in die technischen Details vertiefen wollen, sondern Brücken zwischen Philosophie, Soziologie, den technischen Wissenschaften und der Risikoforschung schlagen wollen. Alle diese Bereiche liegen irgendwie in der Luft, wenn es um dieses Thema geht, aber sie werden normalerweise nicht behandelt, wenn die einzelnen Disziplinen für sich zusammenkommen.

Sie entwickeln neuartige Elektroden, um Signale aus dem Nervensystem auszulesen. Stehen Sie dadurch automatisch auf der Seite der Fürsprecher von Technik und Fortschritt, oder welchen Verlauf erwarten Sie von den Diskussionen der Tagung?

Prof. Stieglitz: Das ist tatsächlich eine spannende Frage und ich hoffe, dass ich mich irgendwo in der Mitte befinden werde und nicht mit dem Rücken zur Wand stehen werde! Wenn man Signale aus dem Nervensystem ausliest oder hineingibt, kann man von ganz unterschiedlichen Seiten mit einer Menge Gedanken konfrontiert werden, die an Science-Fiction erinnern. Ich hoffe, dass ich die zur Verfügung stehenden Optionen und ihre allgemeinen Grenzen klarmachen kann. Und dann gibt es immer den Unterschied zwischen dem technisch Machbaren und dem, was aus Sicht der Gesellschaft wünschenswert ist. Ich hoffe, dass ich das ansprechen kann. Es gibt auch wirklich dringende Fragen zu klären. Zum Beispiel, wenn man ein medizintechnisches Gerät hat, das die Symptome einer Erkrankung verändert, und es sich dabei um eine psychiatrische Krankheit handelt: Welche Person darf dann über die Anwendung dieser Therapie entscheiden? Der Mensch, bevor man sein therapeutisches Gerät anschaltet, oder der Mensch, der nach dem Anschalten ein anderes Verhalten an den Tag legt? Diesen Fragen werden wir nachgehen, und sie werden uns auch helfen, das Thema von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten.

Werden die Gäste ausschließlich aus Deutschland kommen, oder wird es ein international besetztes Symposium sein?

Prof. Stieglitz: Die Sprache auf der Konferenz wird Deutsch sein, und das mit Absicht. Wir wollen einem breiten Publikum die Möglichkeit geben teilzunehmen. Dass sie den Fachjargon der verschiedenen Disziplinen nicht kennen, sollte sie auf keinen Fall davon abhalten. Wir wollen das jede und jeder mit Interesse am Thema verstehen kann, was die Ergebnisse aber auch die Herausforderungen in der Neurotechnologie sind. Und auch, wo Probleme in Bezug auf die Gesellschaft, Ethik und die Gesetzeslage bestehen.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch, was das Ergebnis dieses Kolloquiums angeht?

Prof. Stieglitz: Ich hoffe, dass wir eine detaillierte Sicht aus verschiedenen Perspektiven erhalten. Und ich hoffe, dass die Teilnehmer engagiert mitdiskutieren, vielleicht auch mal ein bisschen provokativ sind, aber sich dabei eine offene Haltung bewahren. Die Veranstaltung soll weder die Technik niedermachen noch soll sie zu einem Science-Fiction-Kongress verkommen. Ich hoffe auf eine ausgeglichene Balance zwischen den Argumenten für und gegen unterschiedliche Aspekte der Neurotechnologie. Ich fände es auch großartig, wenn wir etwas ausformulieren und festhalten könnten, das die unterschiedlichen Facetten und Aspekte in einer klaren und gut verständlichen Sprache darlegt. So ein Positionspapier könnte uns bei der weiteren Öffentlichkeitsarbeit für und mit der Gesellschaft helfen, so dass wir das Thema in der Gesellschaft durchdringen können, von Schulkindern bis zu Politikern und hin zu Menschen aus der Industrie und Wirtschaft.

Interview: Gunnar Grah

 


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Pressemitteilung und interview der Daimler und Benz Stiftung – PDF